„Normalerweise bestehen solche veganen Produkte aus Proteinquellen wie Erbsen, Bohnen oder Soja. Was viele nicht wissen: Es gibt in Europa keine Deklarationspflicht zur Herkunft der Inhaltsstoffe. Vielen ist deshalb nicht bewusst, dass die Grundstoffe oft nicht aus regionaler Herstellung kommen, sondern aus Asien importiert und dann hier weiterverarbeitet werden. Nachhaltigkeit ist in meinen Augen etwas anderes“, so Christoph Nyfeler, Geschäftsführer von Circular Food Solutions Switzerland AG. Genau hier setzt deshalb die Idee des Start-ups an: Fleischersatz-Produkte noch nachhaltiger zu machen. Dafür revolutioniert es bereits die Rohstoff-Auswahl. „Wir nutzen eine vorhandene Proteinquelle, die wir aus der Region beziehen und entsprechend für unsere vegane Produktpalette adaptieren“, erklärt Nyfeler. Und da schließt sich auch der Kreis zur anfänglichen Bier-und-Burger-Frage: die angesprochene Proteinquelle kommt nämlich direkt aus einer Brauerei, genauer gesagt von Chopfab Boxer, einer Craft Brewery aus dem schweizerischen Winterthur.
Was haben Burger und Bier gemeinsam? Kulinarisch werden viele Menschen einer Meinung sein: Sie sind ein „perfect match“. Aber auch für alle, die flexitarisch, vegetarisch oder vegan leben und stattdessen zu Fleisch-Ersatzprodukten greifen, passen Bier und vegane Burger gut zusammen – und das mittlerweile nicht nur auf dem Teller, sondern auch schon zuvor, genauer gesagt während des Herstellungsprozesses. Denn das Schweizer Start-up Circular Food Solutions Switzerland setzt auf einen revolutionären Ansatz: das Upcycling von Biertreber, um diesen zu Fleischersatz-Produkten weiterzuverarbeiten.
Alle, die sich schon einmal etwas detaillierter mit dem Brauprozess beschäftigt haben, wissen, dass dabei auch ein oft unterschätztes Nebenprodukt entsteht: der Biertreber. Meist wird dieser aber nicht weiterverwendet – und das, obwohl er voll von wertvollen Proteinen ist und damit perfekt geeignet zur Lebensmittel-Herstellung, wie Christoph Nyfeler weiß: „In manchen Fällen wird Treber an die Backwaren-Industrie oder an Bäckereien weiterverkauft, die meisten Brauereien aber nutzen das Potenzial nicht, das in ihm steckt, und vertreiben ihn lediglich als Futtermittel für die Viehwirtschaft. Dabei ist aber so viel mehr möglich.“ Genau dieses verborgene Potenzial macht Circular Food Solutions nun nicht nur sichtbar, sondern auch nutzbar.
Weltweit einmaliger Prozess
Dabei setzt das Start-up genau dort an, wo der Biertreber auch entsteht: mitten im Sudhaus. Nach dem Separieren der Maische wird der Treber aus dem Läuterbottich direkt in ein separates Dispergiergefäß geleitet, an das zwei Mühlen angeschlossen sind. „Gemeinsam mit Steinecker haben wir hierfür eigens ein Kreislauf-System entwickelt, bei dem wir den Treber immer wieder durch das Gefäß und die Mühlen zirkulieren lassen und ihn dadurch immer feiner mahlen“, beschreibt Christoph Nyfeler und Matthias Pohl aus dem Steinecker Sales-Team ergänzt: „Durch unser Projekt Phoenix BMC haben wir bereits wertvolle Erfahrung gewonnen, wie sich Biertreber in diesem wichtigen ersten Schritt upcyceln lässt. Diese haben wir natürlich bei Circular Food Solutions eingebracht und erfolgreich umgesetzt.“
Ist der gewünschte Mahlgrad erreicht, wird der vermahlene Treber zunächst in Puffertanks, ebenfalls von Steinecker geliefert, zwischengelagert und anschließend extrudiert. „Dieses Nassextrudat auf Biertreber-Basis ist weltweit einzigartig“, bemerkt Christoph Nyfeler nicht ohne Stolz. „Es bildet die Basis für jede erdenkliche Form von Fleischersatz-Produkten.“
Dafür bereitet Circular Food Solutions das Extrudat – je nach Kundenwunsch und -rezept – für die Weiterverarbeitung vor, indem es den Malztreber beispielsweise mit anderem Proteinkonzentrat, Wasser, Aromastoffen und Salzen zum Endprodukt mischt. Diese Grundmasse wird anschließend in gekühlter Form an den jeweiligen Endkunden geliefert, der dann daraus nicht nur Burger-Patties, sondern auch Geschnetzeltes oder Hack herstellt – alles natürlich auf Pflanzenbasis. „Circular Food Solutions ist ein reines B2B-Unternehmen. Wir fokussieren uns nur auf die Produktentwicklung und die Technologie“, erklärt Nyfeler. „Die Herstellung des fertigen Endprodukts, das letztlich in den Kühltheken der Supermärkte zu finden ist, überlassen wir unseren Kunden.“
Prozesssteuerung durch Botec F1
Doch warum hat sich das Start-up dazu entschieden, mit seiner Produktionslinie direkt an das Sudhaus anzudocken? Das hatte mehrere Gründe, allen voran die mikrobiologische Sicherheit, wie Matthias Pohl weiß: „In diesem Konzept von Circular Food Solutions wird Treber ja als natürlicher Rohstoff eingesetzt. In dieser Form unterliegt er wesentlich höheren hygienischen Anforderungen als im Vergleich zur bekannten Verwertung als Tierfuttermittel. Schon deshalb empfiehlt sich die direkte und konsequente Weiterverarbeitung in der Brauerei. Denkbar ist natürlich auch die Errichtung eigener Verarbeitungswerke, jedoch entsteht dadurch ein nicht unerheblicher Aufwand für Logistik und Kühlketten aufgrund der absolut notwendigen mikrobiologischen Sicherheit.“ Doch nicht nur logistische Vorteile beim Herstellungsprozess sprechen für eine Integration in eine Brauerei, wie er weiter ausführt: „Denn die gesamte Peripherie für Medienversorgung und CIP-Reinigung ist hier bereits vorhanden und kann selbstverständlich auch einfach für den Prozess des Treber-Upcyclings angepasst und mitverwendet werden.“
Im Zuge dieses ganzheitlichen Konzepts lieferte Steinecker deshalb nicht nur einen Teil der Anlagentechnik, sondern integrierte die Anlage in das Prozessleitsystem Botec F1, das bei der Brauerei Chopfab Boxer bereits die Brauereiprozesse steuert. „Wir bei Circular Food Solutions profitieren davon, indem wir Brau- und Upcycling-Prozess perfekt aufeinander abstimmen können. Denn dank Botec wissen wir genau, wann ein Sud fertig ist und somit frischer Treber zur Verfügung steht – und können unsere Produktionsabläufe ideal darauf abstimmen“, so Christoph Nyfeler. Diese Planbarkeit ist wichtig, da der Treber nach dem Abläutern so schnell wie möglich weiterverarbeitet werden muss, um die Lebensmittelsicherheit zu garantieren. Zudem schafft Botec F1 die nötige Transparenz, um eine Rückverfolgbarkeit der einzelnen Produktionschargen sicherzustellen.
Premiere geglückt – und zwar im Industriemaßstab
Anfang 2024 produzierte Circular Food Solutions die ersten Produkte. „Ich muss zugeben: Wir hatten ehrgeizige Ziele und einen vergleichsweise engen Zeitplan für einen Prozess, den es bisher am Markt so noch gar nicht gab. Vor diesem Hintergrund kann ich heute sagen: Wir sind sehr zufrieden mit diesem Anlagen-Setup“, resümiert Christoph Nyfeler. „Natürlich ist auf dem Papier immer alles etwas anders als in der Realität und man muss im laufenden Betrieb an der ein oder anderen Stelle nochmal nachjustieren und optimieren, damit das Ergebnis auch wirklich so ist, wie man es sich zu Beginn vorgestellt hat. Aber dafür haben wir uns ja auch Partner ins Boot geholt, die Erfahrung sowohl im Anlagenbau als auch in der Brau- und Lebensmittelindustrie haben.“
Die erwähnten „ehrgeizigen Ziele“ zeigen sich auch mit einem Blick auf das installierte Anlagen-Setup. Denn obwohl Circular Food Solutions erst seit ein paar Monaten am Markt aktiv ist, beliefert das Unternehmen schon jetzt unter anderem einen der führenden Handelsmarken-Produzenten der Schweiz. „Dies bestätigt uns darin, dass wir mit unserem Ansatz richtig unterwegs sind“, so Christoph Nyfeler. „Und wir sind uns sicher: Es steckt noch viel mehr Potenzial darin. Aus diesem Grund haben wir auch gleich in eine Produktionslinie mit großer Kapazität und einem hohen Automatisierungsgrad investiert.“
Konzept multiplizieren und weitere Märkte erschließen
Und auch, wenn jetzt Circular Food Solutions im Moment ausschließlich als Lieferant für die Lebensmittelindustrie agiert, hat der Geschäftsführer noch weitere Ideen: „Hier in Winterthur haben wir jetzt einen Showcase entwickelt, den man genauso gut auch in anderen Brauereien realisieren kann“, sagt er. „Natürlich müssen dort einige Grundvoraussetzungen erfüllt sein; beispielsweise muss eine bestimmte Trebermenge in der Brauerei anfallen, damit sich eine solche Upcycling-Anlage kontinuierlich und damit wirtschaftlich effizient betreiben lässt.“
Und da die Verantwortlichen bei Circular Food Solutions diese Chance schon früh gesehen hatten, legten sie bereits bei der Entwicklung von Konzept und Technologie Wert darauf, den Prozess auch multiplizieren zu können. Dazu wurde beispielsweise der Flächen-Footprint der Anlage selbst möglichst geringgehalten, damit sich das Setup auch bei Bestandsbrauereien mit wenig verfügbarem Platz integrieren lässt. Denn Christoph Nyfeler hat eine klare Vision vor Augen: das Angebot an veganen Fleischersatz-Produkten noch variantenreicher zu machen. „Die Nachfrage nach Fleischersatz steigt rasant – und Treber ist in unseren Augen einer der nachhaltigsten Grundstoffe dafür, um vegane Ersatzprodukte noch regionaler und damit nachhaltiger zu machen.“
Neu, aber kein New Food
Da der Biertreber für die Herstellung der Fleischersatzprodukte im Ganzen geerntet und verwendet und dabei weder chemisch noch enzymatisch behandelt wird, gilt der Rohstoff nicht als Novel Food. Somit können die treberbasierten Fleischersatzprodukte ohne Restriktionen im Handel angeboten werden, solange selbstverständlich nationale Gesetze und Verordnungen sowie Kennzeichnungspflichten eingehalten werden.